PRESSE-SCHAU zu FOLTERTOD IN JVA SIEGBURG

..Von Mitgefangenen gefolterter 20jähriger Häftling rief vergebens um Hilfe.

QUELLE: spiegel-online
16. November 2006 GEFÄNGNISMORD
Ministerin gibt Justizpanne zu
Nach dem Foltermord im Siegburger Gefängnis geraten jetzt auch die Wächter ins Visier der Staatsanwälte. Sie sollen die unfassbare, stundenlange Misshandlung des Häftlings nicht bemerkt haben. Nordrhein-Westfalens Justizministerin Müller-Piepenkötter spricht von einer „Justizpanne“.

Düsseldorf – „Es handelt sich um den tragischen Tod eines jungen Menschen, den wir im Vollzug hätten verhindern müssen. Leider ist uns das nicht gelungen“, sagte Roswitha Müller-Piepenkötter und kündigte Ermittlungen in ihrem Ministerium und gegen Bedienstete der Haftanstalt an: „Wir werden feststellen müssen, wie es dazu kam, dass Bedienstete von den Gefangenen so perfide haben getäuscht werden können, dass sie das nicht entdeckt haben“, sagte die Ministerin.

Die JVA Siegburg: Gewalt hinter Gittern

Nach Angaben von Müller-Piepenkötter werden die Haftbedingungen an Wochenenden überprüft. Über Konsequenzen werde sie nach einer genaueren Überprüfung entscheiden. Zudem seien alle Gefängnisse im Land sensibilisiert worden, an Wochenenden besonders wachsam zu sein.

Die Oppositionsparteien im nordrhein-westfälischen Landtag hatten heute den leitenden Oberstaatsanwalt Fred Apostel scharf kritisiert – er hatte gestern erklärt, gegen keinen der
Strafvollzugsbediensteten werde ein Verfahren wegen Vernachlässigung der Aufsichtspflicht eingeleitet. „Es ist kaum nachvollziehbar, dass 24 Stunden nach einer solchen Tat die Staatsanwaltschaft schon weiß, dass dem Personal eigentlich keine Straftat nachzuweisen ist“, sagte SPD-Fraktionsvize Ralf Jäger bei einer Sitzung des Landtags-Rechtsausschusses in Düsseldorf.

Die Staatsanwaltschaft Bonn wies die Kritik zurück. Man habe lediglich noch „keine ausreichenden, tatsächlichen Anhaltspunkte, um ein Ermittlungsverfahren einzuleiten“, sagte Staatsanwältin Monika Nostadt-Ziegenberg SPIEGEL ONLINE. „Es ist nicht ausgeschlossen, dass wir doch ermitteln. Wir prüfen das noch.“ Aus diesem Grund seien bei der Pressekonferenz auch keine Mitarbeiter der JVA Siegburg anwesend gewesen. „Sie kommen durchaus als Beschuldigte in Frage. Die Ermittlungen laufen auf Hochtouren.“Bis gestern habe es noch nicht genug Anhaltspunkte gegeben, „dass nicht nur disziplinarrechtlich Vorwürfe gemacht werden können, sondern auch Straftaten vorliegen“.

Die stundenlangen Folterungen der Gefängnisinsassen waren laut Staatsanwaltschaft vom Anstaltpersonal nicht bemerkt worden. Auch ein Versuch des Opfers, mittels eines Alarmknopfes auf sich aufmerksam zu machen, sei fehlgeschlagen. In einem Zeitraum von bis zu zwei Stunden hätten die Täter insgesamt vier Tötungsversuche unternommen und ihren Mitgefangenen schließlich mit Bettlakenstreifen stranguliert und damit getötet.

jjc/AP/ddp

Veröffentlicht am
Kategorisiert in fem&Recht