ISRAEL ARMY ADMITS MISTAKES

ja, ja, das kennen wir – hinterher werden dann, die neue Sprechart, sogenannte „Fehler“ eingeräumt. Welch dreiste Verharmlosung.

Cluster Bomb Use = Einsatz von Streubomben.

Quelle: New York Times

ARMY ADMITS MISTAKES

Israeli Leadership Loses Support, US Investigates Cluster Bomb Use

Israel may no longer be battling Hezbollah, but the political fallout from the conflict is growing. Support for Israeli Prime Minister Ehud Olmert and the Israeli military leadership has plunged. Meanwhile, the United States is investigating Israel’s use of US-made cluster bombs in civilian areas in Lebanon.

An unexploded „bomblet“ from a cluster bomb lies on the road near the main hospital in Tibnin, Lebanon.

Amid increasing criticism over the handling of Israel’s month-long campaign against Hezbollah, Israeli army chief Lt. Gen. Dan Halutz has admitted making mistakes and announced there will be an investigation.

„Parallel to our successes there were in certain areas mistakes, particularly on the logistical and operational levels, as well as from the command,“ he said in a written statement to the army. „This investigation concerns us all from me down to the last soldier.“

Halutz has been criticized for his military leadership in the conflict against the Islamic extremists in Lebanon — especially for supposedly overestimating the Israeli air force’s ability to shut down Hezbollah. His admission comes as opinion polls show support for him and Israel’s political leadership plunging. In a recent poll in the newspaper Yedioth Ahronoth, some 63 percent of those surveyed said they want Israeli Prime Minister Ehud Olmert to resign over his handling of the war. A whopping 74 percent do not approve of his performance on the job. Defense Minister Amir Perez fares even worse with 75 percent calling for his resignation. As for Halutz, 54 percent think he should step down.

25. August 2006
ISRAEL IN DER KRISE

Katerstimmung statt Siegesrausch

Israel befindet sich nach dem Krieg in einer tiefen Krise: Ohne Glauben an seine Regierung und mit wenig Hoffnung für die Zukunft. Das Land ist gefangen zwischen Aufruhr im Innern und der gestiegenen Kampfmoral seiner fundamentalistischen Feinde. Von Ilan Goren.

Zu Beginn des Libanon-Krieges, als sich die israelischen Offensive noch auf Luftangriffe beschränkte, hörte man in Israel einen neuen Popsong. Das Lied war vom israelischen Frühstücksfernsehen in Auftrag gegeben worden. Es sollte die Menschen zum Lachen bringen und ein Gefühl der Solidarität erzeugen. Die Band „Frishman und die Pioniere“ stellte Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah ins Zentrum ihres Liedes und versah es mit hebräischem wie auch arabischen Slang. Der Refrain ging so:

„Yalla, ya Nasrallah,
we’ll screw you, Inshallah,
and send you back to Allah,
with all your Hezbollah“

Ilan Goren ist Fernsehreporter beim israelischen Nachrichtensender „Channel 10 News“. Im Libanon- Krieg berichtete er unmittelbar von der Front. Zurzeit arbeitet Goren an einem Beitrag über israelische Kampfpiloten für CNN.

Im Vergleich zu früheren Liedern, die sich mit dem angeblich mühelosen Sieg über die arabischen Feinde zynisch und parodistisch auseinandersetzten, war in diesem Song jedes Wort ernst gemeint. Im Juli 2006 aber stand in Israel niemand der Sinn nach Zynismus. Der Nasrallah-Song war ein patriotisches Bekenntnis und wurde ein Riesenhit – besonders auf israelischen Musik-Webseiten. Schon wenig später konnte man ihn sich als Handy-Klingelton herunterladen – ein sicheres Zeichen für große Beliebtheit bei den Handy-süchtigen Israelis.

Der Song spiegelte die Stimmung im Land wider. Man wollte die Hisbollah zerquetschen, ihr eine Lektion erteilen, sie pulverisieren. Die Regierung vermittelte der Öffentlichkeit, dass die Gefahr, die von den Katjuscha-Raketen für den Norden des Landes ausging, durch Luftangriffe ausgeräumt werden könne. Regierungssprecher erklärten, das Ziel sei es, die beiden entführten israelischen Soldaten frei zu bekommen. Und der Stabschef der israelischen Armee, General Dan Haluz, sagte, sein Land werde den Libanon um „20 Jahre zurückbomben“, falls die entführten Soldaten nicht freigelassen würden.

Verteidigungsminister Amir Perez versicherte Nasrallah, dieser „werde den Namen Amir Perez nie wieder vergessen.“ Liberale Journalisten, linke Künstler und Wirtschaftsbosse – alle verpflichteten sich dem ihrer Meinung nach gerechtfertigten Krieg. Die Botschaft war: Dieses Mal meinen wir es ernst. Am eindrucksvollsten beschrieb ein Aufkleber, der schnell an Tausenden Stoßstangen kleben sollte, die Lage: „Wir werden gewinnen!“ Produziert wurde er von der zweitgrößten Bank und der beliebtesten Tageszeitung. Wie im Rausch glaubten die Israelis, dass eine gerechtfertigte Vergeltungsmaßnahme in einen sicheren Sieg führen würde.

Ernüchterung macht sich breit

Seitdem sind fünf Wochen vergangen. Inzwischen ist eine Ernüchterung eingetreten, wie Israel sie seit dem Jom-Kippur-Krieg 1973 nicht mehr erlebt hat. Tatsächlich ist die heutige Situation durchaus vergleichbar mit jener vor 33 Jahren. Denn wieder macht sich das Gefühl eines allumfassenden Fehlschlages breit. Schmerzhafte Erinnerungen werden wach.

Es fühlt sich heute so an, als ob jemand den Fast-Forward-Knopf gedrückt und Israel in eine Katastrophe nach der anderen geführt hätte.

Premierminister Ehud Olmert musste von seinen ursprünglichen Beteuerungen schnell abrücken, Erklärungen wurden ständig verändert, umformuliert und eingeschränkt.

So wurde aus der Strategie der präzisen Luftschläge eine lange blutige Bodenoffensive.

Katjuscha-Raketen schlugen fortwährend in israelischen Städten und Dörfern ein.

Es zeigte sich, dass eine gut ausgebildete, stark motivierte Hisbollah in der Lage war, israelische Soldaten wie Zivilisten mit hoher Präzision anzugreifen. Dagegen war die israelische Armee weder von der Ausrüstung her noch taktisch in der Lage, den Krieg im Libanon zu führen. Unklare Befehle der zweifelnden zivilen Führung und ein mangelnder Informationsfluss in der militärischen Befehlskette schwächten die Effektivität der Armee zusätzlich.

Heute ist die Stimmung plötzlich geprägt von Bitterkeit, Ärger und mangelnder Siegesgewissheit.
Die politische Linke beklagt, die libanesische Bevölkerung habe einen extrem hohen Preis in diesem Krieg zahlen müssen. Die Rechte dagegen fordert, der Preis, den die Hisbollah und der Libanon zu zahlen hätten, müsse viel höher sein. Beide lassen verlauten, die Regierung missbrauche die Armee und die Leben der Soldaten für ihre politischen Ziele.

Die Mehrheit der israelischen Gesellschaft hält den Libanon-Krieg inzwischen für einen logistischen und taktischen Fehlschlag. Die Presse benannte die Operation um – aus der „Gerechtfertigten Vergeltung“ wurde „Der zweite Libanon-Krieg“. Armee-Reservisten trauten ihren Augen nicht, als sie mit veralteter Kampfausrüstung ausgerüstet wurden oder sich Schutzwesten oder Batterien selbst besorgen mussten. Die mächtige israelische Armee erschien plötzlich sehr schwach.

Inzwischen hat ein Werbetexter aus Tel Aviv einen neuen Aufkleber entworfen: „Wir geben uns mit einem Unentschieden zufrieden“ steht da drauf. Ein weiterer Aufkleber folgte: „Dabeisein ist alles“. Damit wurde ein olympisches Motto zitiert, das in Israel sprichwörtlich für die Misserfolge seiner Sportler steht. Diese beiden Aufkleber verdrängen auf vielen Stoßstangen den patriotischen Vorgänger „Wir werden gewinnen“.

Parallelen zum Jom-Kippur-Krieg

Nach dem letzten blutigen Wochenende des Krieges, an dem 33 israelische Soldaten starben, begannen die fassungslosen Hinterbliebenen Fragen zu stellen. Fragen nach dem Sinn des Krieges und wofür 18-jährige Soldaten ihr Leben lassen mussten. Es waren dieselben Fragen wie nach dem Jom-Kippur-Krieg. Wie schon 1973 entwickelt sich eine rudimentäre Protestbewegung, die massive Kritik an der Regierung äußert.

Natürlich gibt es Unterschiede zum Debakel von 1973. Unterschiede, die die Gefühle des Misstrauens und der Enttäuschung sogar noch erhöhen. Zum einen war Israel im Juli 2006 anders als im Oktober 1973 nicht in seiner Existenz gefährdet. Die Hisbollah verursacht große Schmerzen, aber sie stellte nie eine Gefahr des Staates Israel dar. Israel entschloss sich dennoch, diese Gefahr zu ersticken. Neun von zehn Israelis glauben, dass diese Entscheidung der Regierung richtig war, weil ein Angriff auf israelisches Territorium nicht zu akzeptieren sei. Aber wenn man einen Konflikt initiiert und daraus weder diplomatischen noch militärischen Nutzen ziehen kann, dann fällt es der Bevölkerung schwer, noch an den Sinn des Krieges zu glauben.

Die aktuelle politische Führung Israels bezeichnet sich selbst als die neue Garde. Sie ist gewillt, noch viele Jahre an der Macht zu bleiben. Wie Premierminister Olmert sind auch Perez, Außenministerin Zipi Livni und Finanzminister Avraham Hirschson Neulinge in ihrem Amt. Alle vier vertreten einen neuartigen Typus Politiker, sie haben eine zivile oder parteipolitische Karriere gemacht. Keiner von ihnen ist ein Ex-General. Sie wollen beweisen, dass es nicht notwendigerweise ehemalige Militärführer braucht, um Israel angesichts der Konflikte mit den arabischen Nachbarn zu regieren.

Es ist wahr: Niemand von ihnen ist verantwortlich für die vielen Jahre der Nachlässigkeit, die zu diesem Krieg geführt haben. Doch sie sind verantwortlich für eine große Kluft zwischen Slogans und der Realität, Versprechen und Aufrichtigkeit, Allgemeinplätzen und Wahrheit.

Umfragen zeigen Unsicherheit der Israelis

Eine Umfrage der Zeitung „Jediot Acharonot“ ergab, dass 63 Prozent der Israelis den Rücktritt von Olmerts wünschen. Nur 29 Prozent meinen, dass er im Amt bleiben sollte. Die Unzufriedenheit mit dem Ministerpräsidenten ist so hoch wie nie zuvor: 74 Prozent der Befragten missbilligen seine Amtsführung, nur noch 26 Prozent befinden sie für gut. Drei Viertel der Israelis fordern zudem den Rücktritt von Perez. 54 Prozent wollen auch, dass Generalstabschef Haluz die Konsequenzen aus dem Libanon-Feldzug zieht und geht.

Zusammengefasst lässt sich sagen: Die Israelis sind unsicher, sie fürchten einen noch blutigeren Konflikt mit Iran und haben nur vage Hoffnung auf eine Vereinbarung mit Syrien. Israel ist in der Schwebe – ohne Glauben an seine Regierung und mit wenig Hoffnung für die Zukunft. Das Land ist gefangen zwischen einem unbeschreiblichen Aufruhr im Innern und der gestiegenen Kampfmoral seiner fundamentalistischen Feinde wie der Hisbollah.

Inzwischen spielen die israelischen Radio-Stationen wieder die alten Songs, die auch vor dem Ausbruch des Libanon-Krieges die Playlists beherrscht haben. Es sind vor allem melancholische und wehmütige Songs. In der beliebtesten Fernsehsendung „Unser Lied“ mimen Schauspieler junge Soldaten, die in einer Militärband aus vollem Herzen die Anti-Kriegs-Hymne „The Song of Peace“ singen. Viele Israelis fragen sich zurzeit, ob dieser nationale Schwebezustand, diese Zeit der Verwirrung, die so stark an die siebziger Jahre erinnert, sich auf künftige Entscheidungen auswirken wird. Doch die Erfahrungen der israelischen Geschichte deuten in eine andere Richtung.

Übersetzt von Christian Teevs
Quelle: spiegel-online.de