Mensch, wie ein herrenloser Straßenhund –

in Berlin – (vom 12. Juli 2006)
vom 12. Juli 2006

13 Uhr 55 –
253601.
heute: 819.

253496.
heute, bis jetzt: 713

Es ist 13 Uhr 13 in Berlin.
Und in Guantánamo werden für 1000 Häftlinge des Bush-Regimes erstmals RECHTSNORMEN gültig:
Die Genfer Konventionen.

Ab sofort erhalten die Gefangenen den Status von Kriegsgefangenen.
Bushs Unrechts-Sicht ist endlich vor dem Obersten US-Gerichtshof gescheitert.
Ein Glückstag nicht nur für die Gefangenen von Guantánamo!

Ein Unberührbarer, mitten unter uns.

Er war plötzlich da.
Vielleicht auch schon länger.
Und du hast ihn einfach übersehen.
Jetzt ist er täglich da.
Morgens, mittags, abends, nachts nicht.
Bei Regen auch.
Als vor ein paar Tagen eine kleine Sintflut über Berlin niederging,
stand er im Regen.
Lief über die Straße, hin und her, manchmal auch bei Rot.
Aber es fuhren gerade kaum Autos.
Weil es so regnete.

Er sitzt auf dem Geländer, das zur Straße abgrenzt.
Er greift in die Mülleimer in Augenhöhe, die für den Tagesmüll, den öffentlichen, an Bäumen und Pfosten angebracht sind.
Und er ist einfach da.
Er wird wütend, wenn du ihm etwas anbieten willst.
So getraust du dich nicht ein zweites Mal.
Denkst aber ständig drüber nach.
Was zu tun wäre.

Gestern Abend, es ist heiß, hell, noch früh, gegen 19 Uhr,
du eilst die U-Bahn-Ausgangs-Treppen hoch:

und da liegt er!
Am Rande der obersten Treppe.
Wie einer der herrenlosen Hunde, die auf etwas warten.
Er bettelt nicht.
Er hat keinen kleinen Hut neben sich stehen.
Und es ist auch kein Zettel da,
der um eine milde Spende bittet.

Er ist jung, er ist schmutzig, er blickt niemanden an, er ist einfach da.
Vor wenigen Tagen, als es auch schon so heiß war,
zog er sein T-Shirt aus,
nur ein flüchtiger Blick, weil du dich nicht traust,

und dann trautest du deinen Augen nicht:
er streckte sich wie ein Hund in den Eingang eines Hauses,
eines Geschäftes, das geschlossen hatte.

Jetzt gerade, liegt er wieder,
in der siedenden Sonne,
auf der obersten Stufe eines U-Bahn-Ausgangs.

Die Menschen eilen scheu an ihm vorbei.

Wer ist der Mann?

Und warum kümmert sich niemand um ihn??

Er ist allein.
Absolut und total allein.

Aber es will vielleicht auch niemand etwas „Falsches“ tun….??

Der Impuls ist übermächtig,
runterzulaufen, und ihm…wie einem Hund…?
(„Darf es etwas Wasser für Ihr Tier sein…?“)

eine Flasche mit Wasser hinzustellen und etwas Frisches, zum Essen…aber du getraust dich nicht.

Dort liegt dein Gewissen.

Stumm.
Und lässt dir keine Ruh.

In der siedenden Sonne von Berlin.

e: info@feminissima.de

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