Aprilscherz: Historische Wurzeln

April kommt aus dem Lateinischen, von abrire, öffnen…hier – Symbol für den Beginn des Frühlings –
„Wer auf Narren hoffend blickt, wird in den April geschickt” – Der 1. April – ein Tag der Narren und Einfältigen

„Heute ist der 1. April, da schickt man die Narren, wohin man will” heißt ein weit verbreiteter Spottvers. Oder: „April, April, de Katz schitt watt se will”. Oder: „Angeführt, mit Butter geschmiert, mit Käse geleckt, hat`s gut geschmeckt”? Ziel der tagesgebundenen Schadenfreude am 1. April ist der Aprilnarr oder Aprillgeck. Der rheinischen Variante, dem Aprilsjeck, ist nah der verwandt der englische Begriff „gock”. Im Norden der britischen Insel schickt man sein Opfer am 1. April von Haus zu Haus, begleitet durch einen Brief, der den Adressaten mitteilt: „On the first day of April hunt the gowk another mile!” Der derart Angeschmierte erfreut sich dabei der unterschiedlichsten Spottnamen wie Aprilesel, Aprilbock, Aprilkalb, Aprilochse – alle Begriffsbildungen, die die vermeintliche Dummheit eines Tieres auf den so Bezeichneten übertragen. Denn: Aprilnarren sind Kinder und Einfältige, Leute, die sich leicht hereinlegen lassen und auf deren Kosten sich die vermeintlich Schlauen köstlich und im sicheren Gefühl der geistigen Überlegenheit amüsieren.

Der Aprilscherz in der Form des „in den April schicken” ist meist verknüpft mit unmöglichen Aufgaben. Es gilt aus einer Apotheke zu besorgen: Krebsblut, Mücken- oder Schnakenfett, gehackte Flohbeine, Stecknadelsamen, Dukatensamen, Büberlsamen, Ipidum [= Ich bin dumm], Ohwiedum, Kieselsteinöl, Kuckucksöl, Puckelblau oder Haumichblau. In anderen Geschäften soll man rosagrüne Tinte, schwarze Kreide, ein silbernes Warteinweil, ein grades Häkchen, gedörrten Schnee, Hühnergräten, Gänsemilch, einen Sonnenbohrer oder einen Nebeltrenner besorgen. Meister und Gesellen schicken ihre Lehrlinge los, ein Augenmaß, eine Dachschere, einen Böschungshobel, Gewichte für die Wasserwaage oder einen Sack Wind herbeizuschaffen. Das „in den April schicken” ist weit verbreitet. Bei den Flamen heißt deshalb der 1. April „Versendungstag”, in England spricht man vom „All fools‘ Day” und das In-den-April-schicken heißt „making an April fool”. In Frankreich nennt man das Objekt des Aprilscherzes „Aprilfisch” und den Aprilstreich „poisson d’Avril”, in Italien parallel „Il pesce d’aprile”. Der „Aprilfisch”, also einer, der sich leicht hat an die Angel bringen lassen, hat die gleiche Bedeutung wie der Aprilesel.

Ein anderer tagestypischer Narrenauftrg besteht darin, ein als außerordentlich selten und kostbar beschriebenes Pelztier oder einen Vogel einzufangen, für dessen Ergreifen eine vielleicht etwas merkwürdige, dafür aber „unfehlbare” Methode angewandt werden muss. Die Tiere heißen Bäwer, Elbtritsche, Rasselbock, Dieldapp, Dölpes, Lämmes, Lemkes, Girike, Ellgriesli, Greiß, Schavakke, Trappen oder Wolpertinger. Dass diese Tiernamen Synonyme für die Begriffe „Tölpel” oder „Dummkopf” sind, merken die mit List erwählten Fangbeauftragten meist zu spät.

Andere Aprilscherze sind das animierende Zeigen oder Schauen in eine bestimmte Richtung oder auf einen bestimmten Punkt, um dann die zum Mitschauen Verleiteten als Aprilnarren zu entlarven. Gerne verleitet man Leichtgläubige, angebliche Flecken, Löcher, Beulen oder andere Schäden an der eigenen Kleidung zu entdecken. Gerne färbt man einem „Opfer” auch das Gesicht weiß oder schwarz oder hängt ihm unbemerkt einen Spottvers an den Rücken. Beliebt sind auch Scherzbriefe, die dem Empfänger mitteilen: „Hättest du den Brief nicht aufgemacht, so würdest du nicht ausgelacht”. Hinterfotzige servieren an diesem Tag auch gerne einmal einen Schnaps, der sich als Leitungswasser entpuppt oder Pralinen, die mit Senf gefüllt sind. Bei Zeitungen und Radio sind Aprilscherze beliebt, die Leser oder Hörer an einen bestimmten Ort beordern, weil es dort angeblich etwas ganz Besonderes gibt.

Den wohl weltweit aufwändigsten Aprilscherz hat sich Dr. Ulrich Harbeke, Leiter der Programmgruppe Religion/Philosophie im WDR-Fernsehen, am 1. April 1997 geleistet. Für diesen Tag angekündigt war „die Welt-Uraufführung einer bisher unbekannten und unter abenteuerlichen Umständen wiederentdeckten Komposition von Franz Schubert, kein schlichtes Gelegenheitswerk, kein ‚Moment musical‘, sondern eine ausgewachsene Messe in C-Dur für Soli, Chor und Orchester, ein ‚Bekenntniswerk großen Stils‘, das mit einem Schlage alle Werkverzeichnisse und Biografien des Wiener Meisters alt erscheinen lasse”. Die angesichts einer Welturaufführung eines Klassikers vibrierende Schar musikalischer Gourmets war begeistert: Im Schubertjahr hatten sie miterlebt, wie ein klassisches Werk des Meisters, voll überraschender Harmonien, von zartem Schmelz bis zu dramatischen Bögen, wie Dornröschen zum Leben wachgeküsst wurde. Am 2. April gab der Sender bekannt: Das Werk war das Ergebnis einer Wette, ob es gelänge ein musikalisches Werk zu verfassen, das auf unbefangene Zuhörer eine Wirkung ausübe, wie ein klassisch-romantisches Werk – ein hintergründiges Experiment „am lebenden Objekt”. Und wirklich, im Nachhinein: Was hat der Zuhörer gehört? Hört man unter der Annahme bestimmter Fakten anders?

Dagegen ist die Entdeckung eines angeblichen norddeutschen Hobbyforschers Manfred „Boje” Harder, dass es in Deutschland noch kein Buch über Aprilscherze gibt (F.A.Z. vom 1.4.1999) und er dieses Buch nun verfassen werde, eher eine Marginalie. Trotz passendem Internetauftritt mit Buchankündigung ist dieses Buch natürlich nirgendwo zu kaufen.

Der erster Tag des Monats April – mittelhochdeutsch „aberelle”, das lateinische „aprilis” soll nach Ovid von aperire = öffnen (= Frühlingseröffnung) kommen – ist in weiten Teilen Europas, Amerikas und in Indien als Narrentag verbreitet. Auch wenn der erste Aprilscherz für Deutschland erst 1631 zu belegt ist, scheint der Brauch viel älter zu sein. Er lässt sich im gesamten indogermanischen Siedlungsraum nachweisen. Erklärungsversuche zum Ursprung und Sinn des Aprilscherzes gibt es viele:

– Das trügerische und wetterwendische Aprilwetter soll der Anlass sein. Dies ist aber wenig wahrscheinlich, weil der Brauch auch in Gegenden beheimatet ist, in denen die Wetterlage im April stabil bleibt.

– Das Herumschicken Jesu Christi „von Pontius zu Pilatus” am Tag seiner Verurteilung, der ein 1. April gewesen sei, wird ebenfalls benannt. Weil aber Einfältige und Dumme Objekte des Aprilscherzes sind, kann man sie wohl kaum mit Jesus Christus gleichsetzen.

– Der 1. April sei der Geburtstag des Judas Iskarioth, des Verräters Jesu. Deshalb sei aus dem für alte Zeiten vermuteten Schadensvermeidung an diesem Unglückstag das Treiben von Schabernack geworden. Aber auch diese Erklärung lässt rational eine Zwangsläufigkeit vermissen.

– Vermutet wird auch die Herleitung von den Quirinalia, dem Narrenfest der Römer, oder dem altindischen Hulifest, bei dem, wie in der alemannischen Fastnacht, der Winter und seine Dämonen durch Narren vertrieben wird.

– Gerne wird auch auf den Reichstag 1530 zu Augsburg verwiesen. Hier sei ein besonderer Münztag für den 1. April festgelegt worden, um Ordnung in das Münzwesen zu bringen. Der 1. April wurde zu einem Spekulationstermin. Als aber der Münztag nicht stattfand, wurden die Spekulanten verspottet und der 1. April zum Narrenfeiertag.

– Die größte Wahrscheinlichkeit hat jedoch die Erklärung, die im Aprilscherz Reste eines Frühlingsbrauches, wie die Fastnacht, erkennt. Der Aprilnarr, der sich überall hinschicken lässt, steht für den machtlos gewordenen Winter, mit dem der seine Herrschaft antretende Sommer tun kann, was er möchte. Und wenn das Hauptmerkmal der Aprilscherze die Täuschung ist, dann könnte diesem heutigen Kinderbrauch ein kultischer Frühlingsbrauch zugrunde liegen, wie er sich in den Quirinalia und dem Hulifest nachweisen lässt. Hingewiesen wird auf die Täuschung des Kronos durch Rhea-Kybele, die dem Kinder fressenden Gatten statt des neugeborenen Zeus einen in Ziegenfell gewickelten Stein reichte. Erinnert wird an die Edda, in der der der Winterriese Thrym durch den als Frya verkleideten Thor getäuscht wird. Zu Ehren der Venus wurde in der Antike im Frühling ein Täuschfest gefeiert. Ihr war auch der 1. April geweiht, und sie führte deshalb den Beinamen „Aprilis”. Auch der Name der indischen Liebesgöttin Maja, Gemahlin des Brahma, hat die Bedeutung von „Täuschung”. Deshalb liegt die Vermutung nahe, dass der heutige kindliche Scherzbrauch ursprünglich eine erotische Komponente hatte.

„Wer auf Narren hoffend blickt, wird in den April geschickt” heißt es in einer Redewendung zum 1. April. Auch in der Pfalz hatte man wenig Hoffnung auf die Belehrbarkeit der Narren und formulierte deshalb: „…schickt man se an de Rhei(n), falle se ennei (hinein)”. Etwas mehr Hoffnung macht der folgende Kinderreim:

Man schickt am 1. April

den Ochsen, wohin man will;

oft auch am 1. Mai

den Ochsen in das Heu.

Schickt man ihn nah,

ist er gleich wieder da;

schickt man ihn weit,

so wird er gescheit.

Falls sich diese Hoffnung für einige Narren in der Ferne wirklich erfüllen sollte, muss es hierzulande genügend geben, die am 1. April genügend „Narrensamen” erwerben, damit uns die Narren nur ja nicht ausgehen. Wir hätten ja sonst nichts mehr zu lachen.

© Dr.theol. Manfred Becker-Huberti, Köln