Heinrich Heine – Noch immer ein Außenseiter?

Skizze aus der Sicht eines Journalisten, und zwar aus Österreich:
Heinrich Heine:

Immer noch ein Außenseiter

(diepresse.com) 16.02.2006

Am 17. Februar jährt sich der Todestag des gefeierten Schriftstellers.

Romantiker und Revolutionär, gefeierter Lyriker, gefürchteter Prosaist, gescheiterter Dramatiker. Jüdisch geboren, protestantisch getauft, katholisch verheiratet. Auch 150 Jahre nach seinem Tod am 17. Februar 1856 ist der Schriftsteller Heinrich Heine noch nicht endgültig in das literarische Pantheon Deutschlands aufgenommen. Er sitzt dort eher zu Füßen des ehernen Denkmals für Goethe und Schiller – und hätte sich als Spötter so sicher wohlgefühlt. Seine lebenslange Hassliebe zu Deutschland, seine politische Liberalität und erotische Lockerheit bleiben unverziehen: Vor allem ältere Lesergenerationen, so urteilt Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki, schleppten bis heute die während der NS-Zeit eingeimpften „Ressentiments“ gegenüber Heine mit.

Bei keinem anderen deutschen Autor wirke das historische Verdammungsurteil so nachhaltig in die Gegenwart wie bei Heine, meint Prof. Joseph A. Kruse, Direktor des Heine-Institutes in Düsseldorf, wo der Dichter mutmaßlich am 13. Dezember 1797 zur Welt gekommen ist.

Mit wichtigen Schriften stand der Dichter bis 1967 auf dem Index verbotener Bücher der katholischen Kirche, darunter die ab 1826 erschienenen, leichtfüßigen „Reisebilder“, die Heines Name in Europa bekannt machten und mit deren sehr subjektiven Schilderungen und Bekenntnissen zu Freiheit und Gleichheit er das moderne Feuilleton begründete.

Auf das Konto seines bis heute populärsten Lyrikbandes „Buch der Lieder“ (1827) geht der Löwenanteil der 8000 Heine-Vertonungen seit Schumann, seit Silchers Loreley-Lied („Ich weiß nicht, was soll es bedeuten“), ermittelte Heine-Biograf Jan-Christoph Hauschild. Die feinsinnige ironische Brechung in der nur scheinbar sentimentalen Lyrik des „entlaufenen Romantikers“ (Heine über Heine) genießt wohl erst der gegenwärtige Leser ganz.

Der Autor, der seit 1831 im Exil in Paris lebte und von der Zensur in Deutschland verfolgt wurde, hatte es laut Biograf Hauschild nicht nötig, für den Geschmack des Publikums zu schreiben: „Er erzieht sich vielmehr seine Leser.“ Womit das Verdikt des Kulturphilosophen Adorno, Heine habe die Dichtung kommerzialisiert, ebenso ins Leere läuft wie Karl Kraus‘ galliger Bannspruch vom Sprachverderber Heine.

Als Pariser Zeitungskorrespondent, alimentiert auch aus einer ominösen Schatulle des französischen Außenministers, wurde es Heines höchst moderne selbstgestellte Aufgabe, Leser in beiden Ländern mit Leben, Politik und Kultur des jeweils anderen Volkes vertraut zu machen. Seine gesammelten Zeitungsberichte, die „Französischen Zustände“, finden ihr spiegelbildliches Gegenüber in den kritischen Analysen „Zur Geschichte der Religion und Philosophie in Deutschland“, des Landes, von dem er bestürzend prophetisch einen zerstörerischen „deutschen Donner“ erwartet.

Das satirische Versepos „Deutschland. Ein Wintermärchen“, in dem er mächtig an der Nachtmütze des deutschen Michels rupft, schreibt Heine 1844; der Witz ist ihm einmal mehr Waffe gegen nationalistische Borniertheit und teutschen Untertanengeist. Sein „Denk ich an Deutschland in der Nacht, dann bin ich um den Schlaf gebracht“ als doppeldeutige „Nachtgedanken“ (1843), sein sozialkritisches und schnell verbotenes Gedicht „Die schlesischen Weber“ entstehen. Auch Heines Nähe zu den Frühsozialisten und Karl Marx werden im Gefolge der 1968er Aufbruchjahre Belege einer mittlerweile in den Hintergrund getretenen „linken“ Interpretation des Dichters.

Im Revolutionsjahr 1848 bricht der längst schon kranke Heine bei einem Besuch des Louvre zusammen und wird von seiner Frau Mathilde, seinem „Hausvesuv“, in der „Matratzengruft“ acht Jahre lang gepflegt. Die späten Gedichte („Romanzero“) und Schriften („Lutetia“) vom qualvollen Krankenlager einer bis heute ungeklärten Nervenlähmung werden zu anrührenden Reflexionen über Leben und Tod, Politik und Religion.

Der Blick aus dem Wohnungsfenster auf die lebhafte Avenue Matignon ist dem Dichter schließlich nur noch möglich, wenn er sich mit dem Finger die gelähmten Augenlider hochschiebt. Eine heftige, aber platonische Liebe verbindet Heine mit einer jungen Verehrerin, die er zärtlich „Mouche“ nennt. Sein letztes Schreiben an sie („Ich bin sehr leidend und zum Tode verdrießlich…“) trägt den Abschiedsgruß: „Misère, dein Name ist H.H.“. (APA)

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