FRAUEN durch HARTZ IV besonders benachteiligt.

Ja, sagen wir doch auch immer! Hier die Resolution des Deutschen Frauenrates von 2005 (Hey, die machen ja was…!!)SEHR INFORMATIV! SEHR POLITISCH! – womit der Deutsche Frauenrat sich offenbar mit geschärfterem Profil zeigt! Weiter so!
DEUTSCHER

FRAUENRAT

Resolution der Mitgliederversammlung 2005

Hartz IV – Auswirkungen auf Frauen

I. Drei Monate nach Inkrafttreten des SGB II zieht der Deutsche Frauenrat eine erste

Zwischenbilanz zum jüngsten Gesetz für „moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt“

(Hartz IV):

1. Im 1. Im Februar 2005 waren 2.296.000 Frauen arbeitslos. Die Langzeita rbeitslosigkeit

von Frauen liegt dabei um fast 19% über dem Vorjahresniveau. Es wird nun die

tatsächliche Dimension der Langzeitarbeitslosigkeit deutlich.

2. Um die entscheidenden Schlussfolgerungen aus dem ohnehin besonders schwer

verständlichen SGB II zu ziehen, reicht es in wesentlichen Fragen nicht aus, das Sozialgesetzbuch

zu studieren. Man muss auch die jeweiligen internen Arbeitsanweisungen der

Bundesagentur für Arbeit kennen. Insgesamt besteht erhebliche Rechtsunsicherheit – für

Menschen, deren Lebenssituation d urch schlechte Zukunftsperspektiven und prekäre

finanzielle Verhältnisse bereits erheblich belastet ist.

3. Das SGB II formuliert in § 1 als durchgängiges Prinzip die Gleichste llung von Männern

und Frauen. Gleichzeitig orientiert sich die Grundsicherung für Arbeitsuchende (so

ebenfalls § 1) an dem Ziel, die „Eigenverantwortung von erwerbsfähigen Hilfebedürftigen

und Personen, die mit ihnen in einer Bedarfsgemeinschaft leben, (zu) stärken.“ In der

Ausgestaltung der Anspruchsvoraussetzungen (§§ 7ff) wird die „Bedarfsgemeinschaft“ zur

Kernfigur und „der Hilfebedürftige“ gleichzeitig an vielen Stellen nur in männlicher Form

angesprochen. So entstehen – vermutlich ungewollt – in den Köpfen alte Rollenbilder neu,

die den Mann als Ernährer der Haushaltsgemeinschaft sehen und die Partnerin, ebenso

wie die minderjährigen Kinder, als zugeordnete Unterhaltsberechtigte. Und es werden

ökonomische Anreize geschaffen, bestehende Partnerschaften zu lösen und gemeinsame

Haushalte aufzugeben.

4. Die Einführung der „Ein-Euro-Jobs“ mit dem SGB II droht zu einer Entprofessionalisierung

und Dequalifizierung von Berufen insbesondere im sozialpflegerischen und

Bildungsbereich zu führen.

5. Frauen, die keine Leistungen aus ALG I und ALG II erhalten, haben keinen

Rechtsanspruch auf Eingliederungs- und Weiterbildungsmaßnahmen.

6. Benachteiligungen auf dem Arbeitsmarkt, die sich aus den geschlechtsspezifischen

Zuschreibungen der Fürsorgeaufgaben ergeben, führen gerade in Zeiten hoher

Arbeitslosigkeit zu neuen Risiken der Frauenaltersarmut. Für Personen, die über die

Anrechnung des Partnereinkommens aus dem SGB II herausfallen, werden keine Beiträge

zur Rentenversicherung gezahlt.

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7. Mit den verschiedenen Sozialreformgesetzen der letzten Jahre hat sich ein mehrfach

verschränkter Paradigmenwechsels vollzogen: Die Leistungen aus den Sozialversicherungen

wurden zurückgefahren (z.B. die Bezugsdauer des beitragsfinanzierten Arbeitslosengeldes).

Bei den steuerfinanzierten Hilfen für Bedürftige erfolgte formal der Übergang

vom Vorrang der Hilfen zum Lebensunterhalt zum Vorrang der Eingliederungshilfen.

Bei der Berücksichtigung von familiären Unterhaltsverpflichtungen ist fallweise eine

Lockerung der intergenerativen, bei gleichzeitiger Betonung der partnerschaftlichen

Leistungsverpflichtungen festzustellen.

Für die vielfältigen Frauenlebensentwürfe und -lebensphasen müssen adäquate

biographie- und prozessorientierte Lösungen gefunden werden. Aus dem oft mit heißer

Nadel gestrickten sozialreformerischen Gesetzespaket, insbesondere von Hartz IV,

schälen sich allmählich versteckte Wirkungszusammenhänge heraus, die sich als

nachteilig für Frauen und Familien zu erweisen drohen.

II. Der Deutsche Frauenrat sieht diesbezüglich Kontroll- und Korrekturbedarf:

1. Die Ausgestaltung der Anspruchsvoraussetzungen des Sozialgesetzbuchs ist kritisch

darauf hin zu prüfen, ob die gewählte Orientierung an der Bedarfsgemeinschaft dem Ziel

der Stärkung der Eigenverantwortung der erwerbsfähigen Frauen und Männer dient und

der vom Subsidiaritätsprinzip geforderten Förderung der kleinen Gemeinschaften

entspricht. Zum Wohle der Familien ist eine Individualisierung der Ansprüche auf ALG II

durchzusetzen. Die Anrechnungsregelungen für das Partnereinkommen müssen verändert

werden, um positive Anreize für die Bildung und Stabilität von Solidargemeinschaften zu

schaffen.

2. Der eigene Anspruch auf Weiterbildung für Arbeit suchende Frauen ist unabhängig

davon als Förderanspruch auszugestalten, ob ein Anspruch auf Geldleistungen nach SGB

III/II (Arbeitslosengeld oder ALG II) besteht oder nicht. Langzeitarbeitslose Ehefrauen

erwerbstätiger Männer und Berufsrückkehrerinnen dürfen bei Fort- und

Weiterbildungsmaßnahmen nicht schlechter gestellt sein als langzeitarbeitslose Singles.

3. Es muss sichergestellt werden, dass 1 €-Jobs qualifi zierte Beschäftigung nicht

verdrängen. Die Integration von Langzeitarbeitslosen in den ersten Arbeitsmarkt hat

Vorrang. Deshalb ist eine Veränderung der engen und komplizierten

Zuverdienstregelungen unerlässlich.

4. Um Transparenz sicher zu stellen, müssen Arbeitssuchende Anspruch auf vollständige

Information über die Entscheidungsgrundlagen ihrer eigenen Leistungsbescheide erhalten.

5. Vordringlich bleibt eine Reform der Alterssicherung, die Frauen eine eigenständige

Altersrente sichert. Es geht dabei um den voll additiven Ausbau der

Kindererziehungszeiten, verbesserte Erwerbsarbeitschancen von Frauen/Müttern und die

Einführung eines Rentenanwartschaftssplittings, das ehelichen Güterstand, steuerliche

Veranlagung und rentenrechtliche Berücksichtigung synchronisiert.

III. Die Bundesregierung wird aufgefordert, die Entwicklung der Hartz IV -Gesetzgebung zu

überprüfen und die sich besonders für Frauen abzeichnenden gravierenden

Verschlechterungen in Bezug auf ihre finanzielle wie auch arbeitsmarktpolitische Situation

durch geeignete Gesetzeskorrekturen zurückzunehmen.

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