BVerwG 7 B 47.05: Karstadt, Niederlage in Sachen WERTHEIM und gegen das Land Berlin ..mehr: es geht um die „Wiedergutmachung materieller Schäden, die durch die NS-Enteignung jüdischen Eigentums entstanden sind – hier die Entscheidung des BUNDESVERWALTUNGSGERICHTS LEIPZIG: (Quelle – Ju-Report.de) Siehe auch am Ende Hinweis auf das Buch: „Arisierung der Privatbanken“ – von Ingo Köhler
BVerwG 7 B 47.05: Karstadt, Niederlage gegen Land Berlin, Wertheim, Grundstücke
BERLIN – Durch Beschluss vom 13. Oktober 2005 zum vorbezeichneten Aktenzeichen hat der VII. Senat des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig durch Nichtzulassung der Revision gegen ein Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin den fachgerichtlichen Schlussstrich unter einen jahrelangen Rechtsstreit um das Schicksal eines der so genannten Wertheim-Grundstücke gezogen.
Das Bundesverwaltungsgericht hat damit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts Berlin zu Rechtskraft verholfen, wonach der heutige KarstadtQuelle-Konzern keine vermögensrechtlichen Ansprüche an Grundstücken des ehemaligen Unternehmens der Familie Wertheim hat. Die KarstadtQuelle AG hatte vom Land Berlin die Auskehr des Veräußerungserlöses für ein Grundstück verlangt, das 1937 an die Deutsche Reichsbahn veräußert worden war.
Die so genannten Wertheim-Grundstücke haben eine wechselvolle Geschichte hinter sich. Es handelt sich um mehrere Grundstücke in Berliner Innenstadtlage, die in den 1930er Jahren im Eigentum einer Gesellschaft standen, an denen die Brüder Georg, Franz und Wilhelm Wertheim, die jüdischer Herkunft waren, die Mehrheit der Anteile hielten. Sie veräußerten die Grundstücke, wie es das vom Gesetz zur Regelung offener Vermögensfragen (VermG) in Bezug genommene Alliierte Entschädigungsrecht formuliert, in einer Art und Weise, wie sie „nicht ohne die Herrschaft des Nationalsozialismus“ stattgefunden hätte.
1949 wurden die Wertheim-Brüder unter der von der Sowjetischen Militäradministration in Deutschland (SMAD) geführten sowjetischen Besatzungsherrschaft enteignet. Daraufhin wurden ihnen die Anteile an der Gesellschaft in den 1950er Jahren nach den alliierten Rückerstattungsgesetzen zurückübertragen; dabei wurde jedoch der wirtschaftliche Wert der im Ostteil Berlins gelegenen Grundstücke nicht berücksichtigt. Die restituierten Anteile verkaufte die Wertheim-Familie sukzessive an Hertie, Hertie wiederum fusionierte 1999 mit Karstadt.
Das Bundesverwaltungsgericht schloss sich nicht der Auffassung der KarstadtQuelle AG an, die meinte, Ansprüche aus den Anteilen herleiten zu können, die der Hertie-Konzern erworben hatte. Vielmehr stellten sich die Richter auf den Standpunkt, dass die ergänzenden Restitutionsansprüche den Gesellschaftern zustehen, deren Unternehmensbeteiligungen während der NS-Zeit aus Verfolgungsgründen entzogen wurden. Die 1992 begründeten Ansprüche sollen, so das Gericht, die Wiedergutmachungslücke schließen, die dadurch entstanden ist, dass den geschädigten Gesellschaftern für die Ostgrundstücke seinerzeit keine Rückerstattungsleistungen gewährt wurden. Dies hat zur Folge, dass nach dem Richterspruch im vorliegenden Fall die Conference on Jewish Material Claims against Germany, Inc. (Jewish Claims Conference, JCC) wie vom Berliner Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen (LARoV) seinerzeit festgestellt Anspruchsinhaberin ist. Die Anspruchsberechtigung der JCC entsteht, soweit kein Geschädigter oder einer seiner Erben fristgerecht Antrag auf Entschädigung gestellt hat.
Der VII. Senat bekennt sich damit wie der VIII. Senat, der mehrmals über die Restitutionsfälle in Teltow-Seehof entschieden hat (AdvoBerlin.Net berichtete) zu einer den Erben der Verfolgten wohlgesonnenen Rechtsprechung. Aus eingeweihten Kreisen war zu vernehmen, dass das Verfahren – wie bei den in Rede stehenden Gegenstandswerten nicht überraschend – auch zu Verwerfungen in der Anwaltschaft geführt hat. Davon war nach der Verkündung des Beschlusses nichts mehr zu spüren: die Berliner Zeitung zitiert den Anwalt der Wertheim-Erben, Matthias Druba (Rechtsanwälte SCHWARZ KELWING WICKE WESTPFAHL), mit den Worten: „Darauf (auf den Beschluss, d. Red.) trinke ich ein Glas Champagner.“
Das Bundesverwaltungsgericht selbst geht in seiner Pressemitteilung vom 25. Oktober 2005 zu dem Beschluss davon aus, dass er „voraussichtlich Einfluss auf weitere Rechtsstreitigkeiten zwischen der KarstadtQuelle AG und dem Land Berlin haben [wird], die frühere Wertheim-Grundstücke u. a. im Berliner ‚Lenné-Dreieck‘ betreffen.“ Informationen des Tagesspiegels zufolge geht es dabei um einen Rückforderungsanspruch der JCC in Höhe von 145 Millionen EUR. Zwischen dem Land Berlin und KarstadtQuelle ist streitig, wer diesem Anspruch ausgesetzt ist.
KarstadtQuelle will sich ausweislich einer ersten Stellungnahme gegen den Beschluss nicht mittels Verfassungsbeschwerde zur Wehr setzen.
Von Boris Strauch
von Team JuReport | Donnerstag, 27 Oktober 2005
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