Jüdische FilmStory-Ausstellung

Bis zum 15. Mai 2004 zeigt das Centrum Judaicim in Berlin, Oranienburger Straße – Ernst Lubitsch und – hier ein Bericht aus der FRANKFURTER RUNDSCHAU-online!
Eine Art von Glanz

Berlin-Hollywood: Die Ausstellung „Pioniere in Celluloid – Juden in der frühen Filmwelt“ im Centrum Judaicum Berlin

VON DIRK FUHRIG

„Pioniere in Celluloid“ (Museum)

Der erste deutsche Film, der im Ausland Erfolg hatte, wurde von Ernst Lubitsch gedreht. Mit Madame Dubarry begann 1919 auch die internationale Karriere des jüdischen Regisseurs und Schauspielers. Bald darauf ging Lubitsch nach Hollywood und wurde berühmt. Die Nationalsozialisten stempelten ihn später zum bevorzugten Hassobjekt. Auch wenn sie sich zu propagandistischen Zwecken selbst des Mediums Films gern bedienten, denunzierte der NS-Jargon die Branche als „verjudet“.

Lubitsch hat wie kein anderer die Entwicklung der deutschen Filmindustrie in den ersten beiden Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts geprägt. In seinen frühen Komödien – in Der Glanz der Firma etwa – hat er jüdische Charaktere und Lebenswelten mitunter so dargestellt, wie sie ein Antisemit nicht schärfer hätte zeichnen können – zumindest wurde ihm das vorgeworfen: ein Jude zu sein, der sich des Stereotyps des „jüdischen Schlingels“ bediente. „Was Lubitsch da gemacht hat, war ein sehr selbstbewusster und sehr selbstironischer Umgang mit Bildern des Judentums, die es damals sowohl als Klischee als auch natürlich auch irgendwo in der Wirklichkeit gegeben hat“, sagt Ausstellungs-Kuratorin Irene Stratenwerth.

Das Leben von Ernst Lubitsch ist weitaus besser bekannt als das der meisten anderen jüdischen „Pioniere in Celluloid“. So heißt die Ausstellung im Berliner Centrum Judaicum, zu der ein umfangreicher wissenschaftlicher Begleitband erschienen ist. Die Herausgeber haben in ihrer Studie versucht, auch die heute weitgehend in Vergessenheit geratenen frühen Filmleute wieder ins Bewusstsein zu rücken. Paul Davidson etwa, einer der wichtigsten Produzenten; den Schauspieler John Gottowt; oder den einflussreichen Filmkritiker Alfred Rosenthal, der seit 1914 im Fachblatt Der Kinomatograph und später von seinem Büro im Berliner Filmviertel an der südlichen Friedrichstraße aus für verschiedene Publikationen des Hugenberg-Konzerns schrieb.

Grenzüberschreitung als Chance

Das Buch ist das Resultat einer äußerst akribischen, biografischen Spurensuche. Die Ausstellung, in der Kostproben aus rund zwei Dutzend Stummfilmen zu sehen sind , konzentriert sich auf die großen Linien, um den prägenden Einfluss der deutschen Juden auf das Entstehen einer Filmindustrie in den ersten beiden Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts deutlich zu machen.

Am 26. April 1896 hatte in Berlin die erste Filmvorführung stattgefunden. Zehn Jahre später gab es in der Stadt 21 Lichtspieltheater, 1907 bereits mehr als fünfmal so viele. Die Begeisterung für die bewegten Bilder war nicht nur in der Reichshauptstadt kaum zu bremsen. Die aufstrebende jüdische Mittelschicht entdeckte die neue Branche für sich, da sie gute Einkommensmöglichkeiten, aber auch eine gewisse Art von Glanz versprach.

Viele junge jüdische Künstler, die an Theatern nur kleine Rollen fanden, sahen bei dem neuen Medium ihre Chance. Hinzu kam, dass die konservativen Teile der Gesellschaft von Anfang an drohenden Sittenverfall proklamierten und die Internationalität des Films fürchteten. Dessen grenzüberschreitende Funktion besaß für die jüdischen Migranten aus Osteuropa, die zum Teil über Deutschland in die USA aufbrachen, eine besondere Faszination – nicht zuletzt, weil die ersten Bilder von Berlin oder New York, die im ostjüdischen Schtetl zu sehen waren, häufig aus einem Filmprojektor kamen.

Umgekehrt wurde in vielen frühen Filmen die Situation der Auswanderer thematisiert. Von Lubitsch in Berlin, in den Vereinigten Staaten von Charlie Chaplin – dem als erstem „jüdischen Superstar“ ein eigenes Kapitel in der Austellung gewidmet ist, obwohl er weder Deutscher noch Jude war. Doch Chaplin wurde Zeit seines Lebens als jüdischer Komödiant und jüdische Identifikationsfigur wahrgenommen. Nach 1933 hatte er sich geweigert, zur Frage seines Glaubens weiterhin Auskunft zu geben, denn eine Distanzierung vom Judentum hätte die Antisemiten bedient.

Film als Volksaufklärung

Die Ausstellung zeigt auch, wie die jüdische Film-Branche im Ersten Weltkrieg vom deutschen Staat umworben wurde, weil der das wirtschaftliche und gesellschaftspolitische Potenzial des Films erkannte – eine Entwicklung, die 1917 in die Gründung der UFA mündete und Berlin zur Filmmetropole machte.

Als sich nach dem Ende des Ersten Weltkriegs der Zustrom von Juden aus Osteuropa nach Berlin verstärkt, rücken im Film auch solche Stoffe in den Vordergrund. Filme wie Das alte Gesetz und Die Gezeichneten behandeln Pogrome und Vertreibungen. Immer heftiger werden allerdings auch die Reaktionen von Deutschnationalen. Die ersten Spielfilme, die sich mit Volksaufklärung in sexuellen Fragen beschäftigen, lösen mitunter Tumulte und Hetztiraden aus, ganz besonders Anders als die Andern, ein Film von Richard Oswald und Magnus Hirschfeld über Homosexualität. Die Angriffe richten sich dabei nicht nur gegen das Sujet und das Medium, sondern auch gegen die Herkunft der Filmemacher.

Es ist müßig, den Anteil jüdischer Künstler an den Anfängen des Films in Deutschland bestimmen zu wollen. Er ist zweifelos groß. Ohne deren Engament hätten die Bilder in Deutschland überhaupt nicht eigenständig laufen lernen können. Der Ufa-Boom in den zwanziger Jahren hätte kaum stattgefunden. Auf dem Höhepunkt der deutschen Filmproduktion beginnt allerdings auch schon der Niedergang. Ernst Lubitsch ist 1922 der erste, den es nach Hollywood zieht. Auch viele andere folgen dem Ruf ins Film-Land der unbegrenzten Möglichkeiten und verlassen die wirtschaftlich darbende Weimarer Republik. So konnten sie für sich und andere frühzeitig neue Existenzen aufbauen, bevor die Nationalsozialisten in Deutschland an die Macht kamen.

„Pioniere in Celluloid – Juden in der frühen Filmwelt“, Henschel-Verlag, 24,90 Euro. Die Ausstellung in der Neuen Synagoge Berlin, Oranienburger Straße 28-30, ist bis 15. Mai täglich außer Samstag geöffnet.