Post&Postbank: Über den Löffel –

..ÜBER DEN LÖFFEL BALBIERT –
Der Nicht-Charme einer speziellen Berliner Postfiliale, die auch gleichzeitig „Postbank“ ist – oder: das Schweigen der Lämmer, als einem Mann die Auszahlung seines Arbeitslosengeldes verweigert wurde – Text von der live-Site vom 2. März 2004
Willkommen übrigens, die zahlreichen Gäste heute Vormittag bereits!
Last p.v.: 26305.

ÜBER DEN LÖFFEL BALBIERT….

Gestern.
1. März 2004.
Postfiliale Soorstraße.
Berlin-Charlottenburg.
Etwa 16 Uhr und zwanzig Minuten.
Wie meistens – eine lange Schlange von Wartenden.
Kein Wunder.
Seit einigen Jahren sind Post-Mitarbeiter

gewissermaßen Damen & Herren für „alles „- :

Neben den herkömmlichen Post-Tätigkeiten hat sich längst viel-viel-mehr angesammelt.

Beinah ein Gemischt-Waren-Handel.
Anwachsender Verkauf von Schreibbedarf, wie Briefumschlägen, Versandkartons und natürlich elektronische Kommunikationsutensilein wie Handys, in allen Variationen.
Doch vor allem:
Keine Postfiliale mehr ohne Postbank-Aktion.

In aller Öffentlichkeit.
Ohne die Diskretion, die bei diesem oder jenem Geschäft bei einer reinen Bank, durch das Hinein-Bitten in ein Nebenzimmer möglich ist.
Doch auch bei den Postbanken inmitten einer Postfiliale existieren diese Neben-Räume.
Sie gleichen eher „Neben-Fächern“.

Optisch vom Großraum der Posteingangshalle lediglich durch Stellwände getrennt.
Akustisch dadurch immerhin ein wenig.
Doch Moment!

Bleiben wir zunächst im Foyer der Postfiliale.

Großaufnahme : Warteschlange.
Akustischer Anziehungspunkt ist ein heftig-redender Mann an einem der Schalter.
Man sieht nur den Rücken des Mannes.
Doch die Körpersprache seines Rückens verrät selbst aus der Ferne die Erregung des Kunden.
Der Rücken des Mannes verbiegt sich, dreht und wendet sich – beugt sich weit über den Tresen.
Die Sätze des Mannes sind nun auch bis zum äußersten Ende der Schlange vernehmbar:

„Es ist MEIN Geld!
Es ist MEIN Sparbuch!
Und wieso wollen Sie mir das Geld nicht auszahlen????!!!!“

Zwei Damen hinter dem Tresen sind, sie sprechen so leise, dass man sie am Ende der Warteschlange nicht hört – bemüht, den Mann zu beruhigen.
Doch der wird immer lauter.
Immer wütender, oberflächlich betrachtet.
In Wirklichkeit immer verzweifelter.
„Wie soll ich denn mit meinem Kind über die Runden kommen?
Wovon sollen wir denn was zu essen kaufen, wenn Ihr mir mein Geld nicht herausrückt`?“

In der Warteschlange ist es jetzt mucksmäuschenstill.

Man hört jetzt die leise Stimme der einen Frau hinter dem Schalter:

„Wenn Sie sich nicht beruhigen, rufe ich die Polizei!“

„Ja – rufen Sie ruhig die Polizei!“

Der Mann ist fertig.
Dann sagt er (laut, verzweifelt, bittend, alles gleichzeitig)- „Rufen Sie doch noch einmal an, bei der POSTBANK, warum ich keinen Zugriff auf mein Postsparbuch habe!“

Während an den anderen Schaltern gerufen wird: „Der Nächste!“

klemmt sich die Sachbearbeiterin..des Mannes ein Handy ans Ohr und man hört nicht mehr, was sie sagt, denn sie hat dem Raum den Rücken zugekehrt.
Sie telefoniert lange.
Die Beobachterin ist in der Schlange bereits einige Meter weiter nach vorne gerückt.

Zwei Hunde, die sich anbellen, lenken für einen Augenblick von der beklemmenden Szene ab.
Der nächste Blick nach vorn zeigt den Mann, er mag um die 30 Jahre jung sein, auf einem der runden Hocker vor den kleinen Tischen sitzen, an denen man Post-Bank-Formulare ausfüllen kann.

Er sähe „ganz normal“ aus,
wie wir alle,
unauffällig, so lange wir uns nicht aufregen.

Er sähe „normal“ aus, wenn seine Körperhaltung nicht verriete, dass er „erledigt“ ist.

Eine FEMINISSIMA steht nun dicht bei ihm.
Sie tritt aus der Reihe und fragt den Mann:

„Kann ich Ihnen irgendwie helfen?“

Der Mann blickt hoch, von seinem niedrigen runden Hocker.
Die FEMINISSIMA sieht die Tränen in seinen Augen.

„Was ist denn passiert?“
fragt die FEMINISSIMA.
„Ist Ihr Konto gesperrt worden?“

Aus dem Mann bricht hervor –
„Es ist mein Arbeitslosengeld.
Und ich lasse es seit Monaten auf mein Postbank-Sparbuch überweisen.
Jetzt sagt mir die Frau, das sei Mißbrauch eines Sparbuchs.
Ich hätte mein Sparbuch wie ein GIRO-Konto genutzt.
Das sei nicht erlaubt.
Deswegen dürfe sie mir jetzt das Geld nicht auszahlen!
Aber dann hätten die mir das doch mitteilen können, oder?“
Und mich hier nicht einfach jetzt abblitzen – !
Und außerdem weigert sich die Frau, mir schriftlich zu geben, dass sie mir das Geld nicht auszahlen darf!
So habe ich gar nichts in der Hand!“

Die FEMINISSIMA spürt die Woge des Mitgefühls und der spontanen Solidarität mit dem Mann durch ihren Körper strömen.
Sie kennt dieses Gefühl der Ohnmacht.
Wer kennt es nicht.
In diesen Zeiten.

„Darf ich Ihnen für den Augenblick 10 Euro schenken, damit Sie wenigstens telefonieren können?“
fragt die FEMINISSIMA.
Und nun schießen die Tränen tatsächlich in die Augen des Mannes.
„Mein Gott ist mir das peinlich!“
sagt der Mann.
„Das braucht Ihnen keineswegs peinlich zu sein!“
Antwortet FEMINISSIMA, die weiß, dass 10 Euro in einer Stadt wie Berlin weniger als 5 Mark wert sind, aber immerhin – man kann ein U-Bahn-Ticket kaufen, vielleicht auch ne nötige Schachtel Zigaretten in so einem Augenblick – und vor allem – ein Telefon benutzen.

Doch jetzt peinlich für FEMINISSIMA – sie hat keine 10 Euro klein.
Will eben wechseln.
„Ich warte lieber draußen!“ sagt der Mann.
Die FEMINISSIMA nickt.
Und während sie ihren 50-Euro-Schein wechseln will – (möglichst schnell)
entdeckt sie die stellwand-umrandete POSTBANK-Ecke im Foyer.
Sie fragt die dort allein vor einem PC sitzende Frau, ob sie zu sprechen wäre.

Die FEMINISSIMA sagt –
„Es geht um einen Vorfall, den ich gerade beobachet habe – einem Mann wurde kein Geld ausgezahlt. Aber gleichzeitig verweigerte man, ihm dies schriftlich zu geben!
Und es handelt sich um Arbeitslosengeld.
Ich bitte Sie, sich sofort darum zu kümmern, dass der Mann dies schriftlich erhält, oder ein Teilgeld erhält.
Ich wende mich an Sie um den Betrieb vorne in der Halle nicht zu stören.

„WAS wollen Sie eigentlich?“
fragt die relativ junge Frau, und bemerkt, sie habe keine Zeit und sei auch nicht zuständig.
FEMINISSIMA antwortet:
Gut, ich wiederhole: einem Mann wurde die Geldauszahlung verweigert, aber das wurde ihm nicht schriftlich bestätigt.
Diese Bestätigung braucht er aber zur Vorlage bei seinem Arbeitsamt oder einem Sozialamt, als Überbrückung, um einen Cent zum Überleben zu kriegen. VERSTEHEN SIE MICH?
Nein, die Dame verstand immer noch nicht.

„Ich verstehe!“
Die FEMINISSIMA spürte die Wut in sich wachsen wie eine Spirale.

„Sie WOLLEN NICHT verstehen.
Oder aber es ist Ihnen egal.
Es ist Ihnen egal, dass da draußen ein Mann verzweifelt oder am Ende Amok läuft – da sagt eine Mitarbeiterin, die ja offensichtlich hier im Auftrag der Postbank arbeitet,
sie dürfe nichts auszahlen, aber gibt es dem Mann nicht schriftlich.
SIE SOLLEN SICH DARUM KÜMMERN – das verlange ich von Ihnen!“

Nun wiederholt die Frau, sie sei nicht zuständig und hätte auch keine Zeit. Und letztlich verstünde sie noch immer nicht, was FEMINISSIMA wolle.

„Hinter Ihnen an der Wand steht doch POSTBANK – also ist das hier ein Raum der Postbank, oder?“
„Nein,“ sagt die Frau.

„Gut!“ antwortet FEMINISSIMA in das sicher gut-geschulte-Gesicht-der-unbewegten-Gleichgültigkeit hinein:

Ich fotografiere Sie jetzt und setze das Foto ins Internet mit dem Vermerk – „NICHT ZUSTÄNDIG!“
da Sie mir Ihren Namen gewiss auch nicht verraten wollen!“

Nun kommt endlich Bewegung in die Person.
Rasch steht sie auf – und zischt:
„Das ist verboten!
Das müssen Sie erst schr
iftlich genehmigen lassen!“
Da muß die FEMINISSIMA auflachen.
„AH – Sie kümmern sich um nichts. Jemand kann neben ihnen kaputtgehen und sie antworten stereotyp wie eine Maschine „Ich bin nicht zuständig“ oder alternativ:“Ich weiß nicht, was Sie meinen!“

Aber offenbar verstehen Sie andere Worte!

Die Dame von der Postbank, die angeblich nicht von der Postbank ist – sagt daraufhin leicht erblasst –
„WENDEN SIE SICH AN DIE POSTBANK und verlassen Sie jetzt hier den Raum!“

„Klasse!“
knurrt die FEMINISSIMA, einfach klasse!

„Hier wird Menschen die sich aufregen, entweder mit der Polizei gedroht und andere, die sich solidarisieren, mit dem Rauswurf.
Nur um eine Problemlösung – wird sich nicht bemüht!
Okay – ich teile es der POSTBANK mit, aber jetzt muß diesem Mann geholfen werden!“

Die FEMINISSIMA verzieht sich kurz in eine Ecke des Postfoyers, um sich die Nase zu schneuzen und denkt, noch immer ist der Schein nicht gewechselt.
Gut, kann man nebenan im Zigarettenlädchen ja auch machen.

Sie verlässt das Postgebäude. Der Mann ist verschwunden.
Es war ihm sicher zu peinlich, denkt FEMINISSIMA und denkt gleichzeitig, „Mist!“

Im Zigarettenlädchen muß ne Schachtel Zigaretten her. Oh, noch zum alten Preis. Na, der ist ja auch eh hoch genug.
Da geht erneut die Tür auf, ein Mann kommt herein, der offenbar auch in der Warteschlange im Postfoyer gestanden hatte.

„Toll, dass Sie sich engagiert haben, das hat man ja auch in der Warteschlange gehört – die haben den Mann wieder hereingeholt. Offenbar haben sie nun doch eine Lösung gefunden!“

Welche Erleichterung.

ABER – warum nicht gleich so?

Diese Geschichte wird FEMINISSIMA auch an die POSTBANK-ZENTRALE mailen.

Mit einigen Zusatzfragen.

Dazu eine Anmerkung in eigenem Erleben: es dauert sage und schreibe 8 volle Tage und Nächte, ehe die bei der Post eingezahlte Telefonrechnung der Telekom bei der hauseigenen POSTBANK gutgeschrieben wird!

Das ist Betrug am Kunden!
FEMINISSIMA zieht jetzt die Konsequenz, wie übrigens 600.000 andere ehemalige Telekom-Postbank-Kunden auch:

sie verlässt die Telekom, geht zu einem anderen Anbieter.