Frauen als Billigkräfte weltweite Migrantinnen:
REICHE LÄNDER IMPORTIEREN ARME FRAUEN.
Aus der FTD vom 30. Dezember 2003, leider erst jetzt für Euch und uns gefunden.
Hier die, wie FEM findet, eindrucksvolle Rezension aus der FTD – Deutschland: (ohne Gewähr)
Aus der FTD vom 30.12.2003
Globalisierung weiblich: Reiche Länder importieren arme Frauen
Von Joan Smith
„Global Woman: Nannies, Maids and Sex Workers in the New Economy“. Von Barbara Ehrenreich, Arlie Russell Hochschild (Hrsg.) Metropolitan Books 2003, 328 S., 26 $, ISBN 1862075883
Manhattan Love Story“ ist kein Film, den man sich merken müsste. Ein Star-Vehikel für Jennifer Lopez, das allerdings mit einer unerwarteten Charakterskizze überrascht: Ein schwarzer Butler kündigt aus Solidarität mit einem lateinamerikanischen Zimmermädchen, das gerade entlassen wurde. Das Publikum kommt in den Genuss einer bewegenden Rede über die Würde der Arbeit. Zuvor sind Szenen zu sehen, in denen Gäste eines New Yorker Hotels jedes Zimmermädchen mit „Maria“ anreden, weil sie die Frauen meist dunkler Hautfarbe nicht auseinander halten können.
Bei dieser Szene haben die Produzenten wahrscheinlich nur Rücksicht genommen auf ihren Star, der bekanntlich stolz ist auf seine lateinamerikanische Herkunft. Zugleich spiegeln sie damit einen der außergewöhnlichsten Aspekte der Globalisierung wider: Reiche Länder importieren Frauen aus armen Ländern, um die Arbeit zu verrichten, die westliche Frauen um der eigenen Karriere willen aufgegeben haben.
In den USA sind 40 Prozent der legal beschäftigten Haushaltshilfen ausländischer Herkunft. Jeder zehnte Bürger von Sri Lanka arbeitet inzwischen im Ausland, die meisten sind Frauen. Ungefähr jedes dritte Kind auf den Philippinen – rund acht Millionen – lebt in Familien, in denen mindestens ein Elternteil ausgewandert ist.
Fachleute reden von einer „Feminisierung der Migration“. Sie gehen davon aus, dass inzwischen die Hälfte aller 120 Millionen legalen und illegalen Immigranten Frauen sind. Sie reisen um die Welt, um als Kindermädchen, Haushaltshilfen oder Putzfrauen zu arbeiten. Einige Arbeitgeber bevorzugen Frauen aus Entwicklungsländern für solche Aufgaben. Ihr Argument ist, dass diese Frauen aus Kulturen kommen, in denen traditionelle Familienwerte nicht durch Kapitalismus, Feminismus und den Individualismus des 20. Jahrhunderts unterminiert wurden.
Der Leiter einer Kindertagesstätte in San Francisco sagt: „Die Hilfskräfte, die wir aus Mexiko und Guatemala anstellen, können ein Kind besser lieben, als es die weißen Eltern aus der Mittelschicht können. Sie sind entspannter, geduldiger und fröhlicher. Diese berufstätigen Eltern stehen unter Zeitdruck und sind darauf aus, die Talente ihrer Kinder zu fördern. Ich sage den Eltern, dass sie wirklich von den Frauen aus Lateinamerika und den Philippinen lernen können, wie man liebt.“
Ironischerweise werden die Familienwerte, wegen denen Frauen von den Philippinen, aus Thailand, Indien oder Mexiko angestellt werden, durch deren Migration unterminiert. Viele Kinder in Entwicklungsländern wachsen bei Verwandten oder sogar in Waisenhäusern auf, weil ihre Mütter sich um die Kinder anderer Leute kümmern müssen.
Die 21-jährige Philippinerin Ellen Seneriches, deren Mutter nach New York auswanderte, ist eifersüchtig auf die amerikanische Familie, für die ihre Mutter als Kindermädchen arbeitet. „Wir wurden allein zurückgelassen und mussten schon sehr früh ohne Mutter Verantwortung übernehmen.“ Ihre Erfahrungen finden sich in der Sammlung von Essays, die Arlie Russell Hochschild und Barbara Ehrenreich als „Global Woman“ herausgeben und die sich mit den Auswirkungen der Migration auf Frauen befasst. Die Herausgeberinnen stellen ein „Fürsorgedefizit“ in reichen Ländern fest, das auf Kosten ärmerer Länder wettgemacht wird: „Es ist, als ob die wohlhabenden Länder der Welt an einem Mangel an wertvollen emotionalen und sexuellen Ressourcen leiden und sich für Nachschub an die ärmeren Regionen wenden müssen.“
Mädchen und junge Frauen werden von illegalen Menschenhändlern in den Westen gelockt – ihnen wird Arbeit in Restaurants und Nachtklubs versprochen, sie werden aber zur Prostitution gezwungen. Gleichzeitig reisen westliche Sextouristen nach Asien auf der Suche nach immer jüngeren Prostituierten. Kevin Bales zufolge, dessen Beitrag ein erschütterndes Interview mit einer 15-jährigen thailändischen Prostituierten ist, arbeiten zwischen 500.000 und 1000.000 Frauen als Prostituierte in Thailand; eine von 20 wird zur Prostitution gezwungen. Für 1997 wurde das aus illegaler Prostitution generierte Jahreseinkommen auf etwa 10 Mrd. $ geschätzt – das ist sogar noch höher als die Einnahmen aus dem Drogenhandel. Thailand hat inzwischen eine der weltweit höchsten Quoten an HIV-Infektionen. In einigen Dörfern auf dem Land erreicht sie 60 Prozent; dort werden Mädchen regelmäßig zur Prostitution gezwungen.
Natürlich liegen Welten zwischen einem männlichen Sextouristen und einer Frau in Kuwait, die eine Philippinerin als Putzfrau beschäftigt. Allerdings herrscht in den Beiträgen von „Global Woman“ keine Einigkeit, ob die Beschäftigung einer Haushaltshilfe unter allen Umständen moralisch falsch ist oder ob es an den Bedingungen liegt, unter denen es geschieht. Zoe Baird, Bill Clintons Kandidatin für das Amt des Justizministers, musste 1993 abtreten, nachdem sie zugegeben hatte, eine illegale Einwanderin als Kindermädchen angestellt zu haben. Baird zahlte ihren Hausangestellten 5 $ die Stunde, ihr eigenes Jahresgehalt betrug 507.000 $.
Baird konnte es sich erlauben, weil die armen Länder der Welt immer ärmer werden. Den Vereinten Nationen zufolge ging es 60 Ländern 1999 schlechter als 1980. Was im Westen wie ein Hungerlohn wirkt, ist für Frauen in Entwicklungsländern ein kleines Vermögen. Eine gebildete Philippinerin kann als Haushaltshilfe in Hongkong das 15fache dessen verdienen, was sie als Lehrerin auf den Philippinen bekommen würde.
Doch langfristig dienen billige Arbeitskräfte aus dem Ausland niemandem. Sie halten die Löhne für Hausarbeit in reichen Ländern niedrig und beheben nicht einmal ansatzweise die Armut und den Mangel an Chancen, die Frauen überhaupt veranlassen, Heim und Familie zu verlassen.