meistens kopieren wir nur „gute“ Sachen.
Die wir für Euch aussuchen.
Nachdem wir sie selbst konsumiert und für brauchbar…bis unvergesslich..eingestuft…
In der letzten Zeit haben wir in der doch jahrzehnt-geschätzten SÜDDEUTSCHEN öfter Zeilen gelesen, die uns weniger gefallen – bis GAR NICHT gefallen.
Um solch einen Kommentar, von gestern, handelt es sich nun, dem wir die FEMINISSIMA „ZITRONE“ verleihen.
Denn optimistisch-eingestimmt, hatten wir nur bei uns eine Rubrik „supissima“ – es fehlte die „malissima“, nachdem wir, freundlich-wie-meistens, die Rubrik „Mama Mia“ gestrichen hatten, die eine Mitarbeiterin als Eigen-Idee reklamiert hatte und dann beim Aussteigen mitnehmen wollte, natürlich ! Warum uns der Kommentar in der SZ mißfällt, kommentiert FEMINISSIMA im Kommentar zum Kommentar – also direkt im Anschluß, gleich, hier ja immer live-vor-Ort-..noch mal eben die Stulle…die Finger abwischen und den Mundschutz vor..
07.05.2003 19:35 Uhr sueddeutsche-online
Kommentar
Flucht aus der Wirklichkeit
Die Gewerkschaften verfügen über ein erstaunliches Talent, sich öffentlich zu blamieren.
Von Robert Jacobi
(SZ vom 08.05.03) – Trotz des erkennbaren Willens, ihr Blockiererimage endlich abzulegen, fallen sie immer wieder in die alten Verhaltensmuster zurück: Wir wollen nicht verhandeln, verkünden sie, sondern schwenken lieber unsere Fahnen. Wenn wir uns im politischen Diskurs schon nicht durchsetzen können, verabschieden wir uns wenigstens pfeifend und trommelnd. Der Bundeskanzler will nicht mehr auf uns hören, also hören wir auch nicht auf ihn.
Zwar haben die Gewerkschafter am Dienstag nur ein Treffen mit Gerhard Schröder abgesagt, das beiden Seiten keinen Erfolg versprach. Die Symbolwirkung aber geht weit über diesen Anlass hinaus: Die Gewerkschaften lassen nicht nur die Regierung, sondern das ganze Land wissen, dass sie nicht gewillt sind, den Vorschlägen des Bundeskanzlers zu folgen. Schröders Reformagenda lehnen sie ab, ohne ein schlüssiges Gesamtkonzept vorzulegen, wie der überlastete Sozialstaat umzubauen ist.
Es erregt geradezu Mitleid, wenn die Gewerkschaften im Streit um die Finanzierung des Krankengelds und die Kürzung der Bezugsdauer des Arbeitslosengelds ihre gesellschaftliche Bedeutung aufs Spiel setzen. Nicht nur für Betrachter aus dem Ausland ist es kaum nachzuvollziehen, warum dieses Programm einen solchen Aufruhr verursacht.
Natürlich klingt es oft überzogen und schrill, wenn Gerhard Schröder auf den Regionalkonferenzen sein Programm verteidigt. Er stilisiert sich zum Retter der Nation, der gegen alle Widerstände endlich umsetzt, was seine Vorgänger verschlafen haben. Das ist nicht gerechtfertigt, denn seine Pläne sind nicht mehr als erste Reparaturen, die für einen reibungslosen Neustart dringend notwendig sind.
Sicherlich wird mancher Langzeitarbeitslose nach der Reform schlechter gestellt sein als heute. Anderen aber wird sie nutzen – wenn nicht finanziell, dann doch, indem sie von den Sozialämtern in die Arbeitsämter zurückkehren, dort intensiver betreut und möglicherweise sogar in Jobs vermittelt werden. Beständig warnen die Gewerkschaften vor Sozialabbau. Doch es ist nötig, die Beiträge effizienter zu verteilen, die auch ihre Mitglieder an die Sozialkassen zahlen.
Der Sozialstaat ist kein sich selbst tragendes Gebilde, das zugunsten der Wirtschaftslobby zerstört werden soll. Vielmehr sollte er im Kern ein Solidarsystem sein, das Geld der Arbeitnehmer und Arbeitgeber an Menschen weiterleitet, die nicht für ihren Unterhalt aufkommen können. In guten Zeiten wurde dieses System mit zahllosen Aufgaben überfrachtet, die mit dem ursprünglichen Anliegen nichts zu tun haben.
Jetzt reichen wegen der hohen Arbeitslosigkeit und des schleppenden Wirtschaftswachstums die Einnahmen nicht mehr, weshalb die Ausgaben dringend reduziert werden müssen. Und zwar so stark, dass die Beiträge sinken und Unternehmen im nächsten Aufschwung möglichst bald wieder einstellen können.
Viele Gewerkschafter verschließen sich dieser Einsicht und damit der Wirklichkeit einer globalisierten Welt, in der Kapital dort investiert wird, wo es die höchsten Erträge bringt. Teilweise leugnen die angeblichen Vertreter der Arbeitnehmerschaft sogar den Zusammenhang zwischen Lohnnebenkosten und der Zahl der Arbeitsplätze in diesem Land.
Die Vorschläge der Gewerkschaften beschränken sich weitgehend darauf, ein weiteres Investitionsprogramm aufzulegen oder die Vermögenssteuer wiederzubeleben. Ersteres würde den Staatsbankrott nur beschleunigen, letzteres die Kapitalflucht verstärken. Mehr an Ideen kommt nicht.
Diese inhaltliche Leere gründet auch auf der Zerstrittenheit im Gewerkschaftslager, das ein jämmerliches Bild abgibt. Obergewerkschafter Michael Sommer müht sich längst, seine Kollegen zu einer inhaltlichen Auseinandersetzung zu bewegen, und hat deswegen jetzt sogar ein eigenes Gegenkonzept zur Reformagenda des Bundeskanzlers vorgestellt.
Sommer und seinem Dachverband fehlt aber die Machtbasis, so dass er sich in entscheidenden Fragen meist Hardlinern wie Metallgewerkschafter Klaus Zwickel und Verdi-Chef Frank Bsirske unterwerfen muss. Zwickel muss seinen Platz bald für einen langjährigen persönlichen Gegner räumen. Da soll der Abgang wenigstens kraftvoll ausfallen.
Bsirske versucht, mit überzogenen Sprüchen seine Riesengewerkschaft hinter sich zu scharen und von internen Machtkämpfen ebenso wie von enormen Finanzproblemen seiner Organisation abzulenken. Diese Herren nehmen in Kauf, dass darüber ein Bündnis für Arbeit scheitert oder der Gewerkschaftsrat platzt.
Auf diese Weise verraten sie die Interessen ihrer Mitglieder, denn wer sich verweigert, verzichtet freiwillig auf den Anspruch, als Gesprächspartner ernst genommen zu werden. Manche Spitzengewerkschafter haben nicht nur den Anschluss an die ökonomische Wirklichkeit verloren.
Sie sehen schon Parallelen zur Entmachtung der Gewerkschaften unter der Nazidiktatur. Mit solchen Tönen aber schaden sie ihrer diffusen Sache nur. Die Hemmschwelle des Kanzlers sinkt, sich mit Hilfe der Opposition und ihrer Mehrheit im Bundesrat gegen Fahnenschwenker und Trillerpfeifer durchzusetzen. Im Erfolgsfall sollte er den Gewerkschaften dafür danken.
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